Die volle Packung

This entry is part 6 of 7 in the series Kanada BC 2012

In der Nacht besteigen wir den Geländewagen. Nach ein paar Stunden sind wir am Pazifik. Der Skipper trailert das meerestaugliche Boot mit dem riesigen Motor, daß wir den ganzen Weg von Terrace nach Prince Rupert hinter uns her gezogen haben. Im Morgengrauen geht es raus auf das spiegelglatte Wasser. Zauberhaft.

Bevor wir die Heilbuttgründe ansteuern, fährt er uns zu einer Seelöwenkolonie. Mitten in einem großen Tangfeld ragen große Felsen aus dem Wasser. Die Tiere lagern in breiten Gruppen auf dem Gestein, balgen sich und brüllen tatsächlich wie Löwen, oder eher wie Hirsche zur Brunftzeit.

Die Heilbuttbank liegt im offenen Meer. Wir treiben immer wieder über den sandigen Untergrund, der in sechzig Metern Tiefe voller Fisch ist.

Die Meeresdünung geht auf und ab, das Boot schaukelt in der See. Dann passiert es. Erst ganz langsam. Als ich gerade etwas an der Kamera montiere und meinen Blick vom Horizont wegnehme. Mir wird schlecht…

Bisher hatte ich erst ein einziges Mal einen Anfall von Seekrankheit. Damals konnte ich schnell zurück ans Ufer gelangen. Diesmal sieht die Situation völlig anders aus. Eine Rückfahrt würde anderthalb Stunden dauern, etwa 300 Dollar kosten und den vorzeitigen Abbruch des Trips bedeuten. Leider machen diese Gedanken die Lage nicht besser.

Mir ist übel. Versuche meinen Blick irgendwie an einer Bergspitze fest zu machen, die ich weit hinten an Land entdecke. Der Skipper gibt mir einige Pillen zu schlucken, die Situation auf dem Boot ist ziemlich angespannt. Ich möchte nur noch weg, weg, weg.

Schließlich werfen wir den Motor an und fahren in einen geschützten Fjord hinein. Hier ist die See ruhiger und bietet mit einer breiten Uferkante bessere Orientierungspunkte fürs Auge. Wir ändern die Strategie und widmen uns dem Lachsfang. Langsam geht es mir besser. Die Jungs sagen, ich hätte wieder etwas Farbe im Gesicht.

Leider kann die Seekrankheit den erfahrensten Seebär erwischen. Tröstend klopft mir der Skipper auf die Schulter. Und dann tauchen die Wale auf.

Erst hören wir nur ein Prusten. Dann sehen wir die breiten Rücken und die mächtigen Rückenflossen, die sich im Wasser heben und in einem Strudel verschwinden. Wie in Trance halten wir inne und schauen dem Spektakel zu, das so schnell wieder vorbei ist, wie es gekommen war.

Wir fangen ein paar Lachse und am Abend essen wir im Hafen von Prince Rupert frischen Heilbutt. Auf dem Rückweg nach Terrace sieht Stephan im Dämmerlicht zwei Grizzlys. Die Bären stehen am gegenüberliegenden Ufer des mächtigen Skeena Flusses, der parallel zum Highway verläuft. Darauf habe ich so lange gewartet. Meine erste Grizzlybegegnung. Was für ein Tag – die volle Packung.

Wir setzten uns an den Rand der Straße und schauen den Bären beim Fischfang zu. Ihre Nasen recken sich immer wieder in unsere Richtung. Schließlich steigt der größere der Beiden in das reißende, kalte Flusswasser. Er treibt mehrere Hundert Meter ab und wir sehen ihn weit entfernt aus dem Fluss steigen. Auf unserer Seite…

Langsam ziehen wir uns zurück in Richtung Auto. Nur Stephan, die Kamera auf dem Stativ positioniert, läuft dort hin, wo der Bär ans Ufer gestiegen ist. Plötzlich tritt der Grizzly aus dem Gebüsch. Mit gesenktem Kopf trabt er auf Stephan zu, der unbeirrt an der laufenden Filmkamera stehen bleibt. Unser Guide ruft ihm aufgeregt etwas zu. Schließlich rennt auch Stephan zum Geländewagen. Der Bär dreht ab. Offenbar sind wir zu weit in sein Hoheitsgebiet eingedrungen und er hat sich gestört gefühlt. Respekt ist die oberste Regel bei Bärenbegegnungen.

Die Bärenaufnahmen für den Film sind allerdings phantastisch geworden…

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Geschrieben von admin am 15. August 2012 | Abgelegt unter Aktuelles | Keine Kommentare

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