Wie der Beifang stiften ging

Rügen. Ende Mai. Außenküste, nähe Kap Arkona. Wir machen einen kleinen Kurzurlaub. Wollen uns ein paar Hornfische fangen und direkt am Strand grillen. Das haben wir gestern auch schon gemacht – in diesem Ambiente ein Geschmack, der subjektiv gefühlt mindestens fünfzehn Gault Millau Punkte und zwei Michelin Sterne wert ist. Ich habe die leise Hoffnung, am Abend noch eine Meerforelle vom Ufer aus zu fangen. Aber die Bedingungen sind schlecht. Ungünstiger Wind und massenhaft Rotalgen im trüben Wasser. Schade. Habe es gestern nacht schon mal versucht, ohne Erfolg. Dafür sind die Hornies vor Ort.

Weil die Fische ja nicht wie üblich releast werden sollen, will ich nichts riskieren und habe einen Knoten in meinen Watkescher gebunden. Versuche die Fische zu keschern, statt mit der Hand zu landen. Aber trotz des „halben“ Keschers verdrehen sie sich darin wie ein Schnapp-Rollo. Einer hatte mir gestern sogar ein kleines Loch in das Netz gerissen. So ein Ärger.

Heute läuft es etwas schlechter. Für mich zumindest. Meine Freundin fängt und fängt, als würde sie eine Weltmeisterschaft gewinnen wollen. Pah – Anfängerglück! Ist doch toll wenn die Freundin auch mal Fische fängt… Ein Stündchen lang beruhigt mich dieser Gedanke. Dann werde ich doch nervös. Was mache ich falsch? Erlegt SIE jetzt die Beute und ich muß Feuer machen? Sorgt SIE für die Ernährung und ich muß kochen und abwaschen?

Ein großes Schiff zieht weit draußen auf dem Meer vorbei. Montiere einen grünen Gladsax Küstenwobbler. Werfe schwungvoll aus – und lande etwas zu weit rechts in einem Blasentangfeld. Mist, hängt fest. Rucke und Rucke. Es bewegt sich was. Juhu – mein erster Hornie des Tages! Oh – der scheint richtig groß zu sein. Jetzt wendet sich das Blatt aber. SIE wird schon sehen. Ui – der kämpft und schüttelt sich unter Wasser. Höre mich sagen: „Ich hab was – das ist aber kein…“ Ssssssssssst…..

Etwas reißt mir vielleicht zehn Meter Schnur von der Rolle. Eine Meerforelle? Mein Herz rast! Warum springt die nicht? Schüttelt nur ganz wütend mit dem Kopf. Wohl doch eher ein Dorsch. Sehe etwas blitzen. Sieht grün aus. Gefleckt wie eine Osterwiese. Hat ein Maul wie ein Entenschnabel…

Da kommt man von weit her hoch nach Rügen gefahren, um ein paar für Binnenländler üblicherweise unvergönnte Meeresfische zu fangen – und dann hängt plötzlich Meister Esox am Band. Bestimmt gute 75 cm lang und mega fett. Auf einen Gladsax! Mit einem für Hechtzähne höchst fragilem Fluorocarbonvorfach davor.

Mache kurzen Prozess und lande den Fisch im noch zusammengeknoteten Watkescher. Bin trotzdem stolz wie Oskar. Habe diesmal sogar einen Fotoapparat dabei, sonst glaubt einem das ja wieder keiner. Wate vorsichtig über allerlei Gestein an Land. Der Hecht verhält sich ruhig. Ein ungewöhnlicher Beifang. An der Außenküste von Rügen. Yeah! Vom Ufer aus! „Bring mal Fotoapparat und Zollstock mit!“ rufe ich frohlockend meiner Freundin zu, die weit weg am Strand herum läuft. Na – die wird Augen machen! Jetzt zeigt sich mal wieder, wer hier von uns die meiste-größte-beste-und-profimäßigste Angelerfahrung hat. Werde das Tier natürlich wieder zurücksetzen. Denke ich noch so…

Gute zehn Meter vor dem Ufer hat der Hecht das Loch in meinem Watkescher gefunden. Er prescht mit dem Maul direkt hinein, schüttelt und windet sich und ich starre ungläubig und beeindruckt von der wiedererwachten Lebensenergie von Meister Esox auf mein Unterfanggeschirr. Das vormals kleine Loch ist plötzlich irre groß, und gerade verschwindet eine gefleckte Schwanzflosse in Richtung offenes Meer. 

Stehe einfach nur so da. Schaue apathisch in das Wasser vor meinen Füßen. Warum habe ich gestern Abend das blöde Loch nicht geflickt? Ich bin ja so ein Dilettant. „Und – haste was?“ fragt SIE mich, als SIE endlich bei mir angekommen ist. 

„Ach nix…“

Geschrieben von admin am 30. Mai 2009 | Abgelegt unter Meerforelle | Keine Kommentare

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