Norwegen 2009 – 27.Juni

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(Die folgenden Eintragungen zu unserer Norwegenreise muß ich ab hier nachträglich einfügen. Unsere Bärenjägerhütte im Börgefjell hat weder warmes Wasser noch richtigen Strom, lediglich eine Autobatterie versorgt uns ein wenig mit Elektrizität. An Telefonempfang und Internet ist natürlich gar nicht erst zu denken – herrlich…)

Heute fahren wir also die gewaltige Strecke von fast 1000 km hinein ins norwegische Mittelland. Wobei „Mitte“ etwas übertrieben erscheint, liegt unser Ziel doch schließlich fast am Polarkreis. Es wird uns eine Wildnis erwarten, die sich vor den Klischeebildern, die man im Allgemeinen von Kanada und Alaska im Kopf hat, nicht zu verstecken braucht. Wir werden uns vor lauter „Ahh“ und „Ohh“ Rufen angesichts dieser gewaltigen Natur gar nicht mehr beruhigen können. Aber noch ist es nicht so weit. Zunächst einmal heißt es: Adieu Kröderen-Fjord und Auto fahren bis der Arzt kommt.

Von unterschiedlichsten Quellen haben wir den Tip bekommen, zu dieser Jahreszeit – wenn die Norweger Ferien machen, ebenso wie der Rest Europas – nicht auf der norwegischen E6 in den Norden zu reisen. Die am stärksten befahrene Strecke Norwegens, die vielen Steigungen und Serpentinen und das strikte Tempolimit, können einen hier fast in den Wahnsinn treiben. Also beschließen wir, noch ein paar Wegkilometer drauf zu packen und die Route über Schweden zu nehmen. Der „Inlandsvägen“ ist eine gut ausgebaute, touristische Straße, die aber bei weitem nicht so dicht befahren ist, wie die norwegische E6. Außerdem kann man hier bei einer Tempobegrenzung von 110 kmh schon mal „richtig Gas geben“.

Wir passieren die Grenze hinter Kongsvinger, fahren noch über die schöne Glomma – einen der mächtigsten Flüsse Norwegens, dem wir an dieser Stelle ein baldiges Wiedersehen versprechen – und sind schon bald in Schweden. Währen der endlosen Fahrt schwindet uns abwechselnd der Mut. 1000 Kilometer sind einfach verdammt lang. Stephan besteht darauf, zu fahren. Mir kann es nur Recht sein, habe ich doch die einmalige Chance, den ausgesparten Schlaf der letzten Tage endlich ein wenig nachzuholen.

Hinter dem schwedischen Strömsund biegen wir nach Westen in Richtung Norwegen ein, und passieren schließlich bei Gäddede wieder die norwegische Grenze. Schon kurz hinter Strömsund hatte uns eine seltsam aufgekratzte Stimmung erfasst. Diese Ruhe hier, diese endlose Weite des Nichts. Auf der anderthalbstündigen Strecke bis zur Grenze kommt uns lediglich ein einziges Auto entgegen. Die Berge werden immer höher, hier und da tun sich kleinere und größere Seen und Süßwasserfjorde auf. Nach dem Grenzübergang telefonieren wir kurz mit unserem Vermieter, der uns schließlich mitten durch die Wildnis lotst.

Schon jetzt bereue ich es, kein Auto mit Allradantrieb zu haben. Die Schotterpisten und Sandwege auf denen wir uns bewegen, vermitteln einem immer mehr das Gefühl, am Ende der Zivilisation angekommen zu sein. Stephan hat schon Pipi in den Augen. Aber weniger aus Sorge um mein Auto, als aus tiefster Rührung über all diese Naturschönheiten, die sich vor unseren Augen auftun. Tiefe Schluchten, gewaltige, glasklare Seen, schneebedeckte Berge und sprudelnde Wasserfälle. Genau so haben wir uns in unserer Kindheit die Landschaft unserer wildesten Abenteuerträume vorgestellt. Jetzt fehlen nur noch ein paar Indianer…

Die kommen schneller als gedacht! Natürlich verfahren wir uns fürchterlich in dieser Einöde. Stephan möchte am liebsten überall aussteigen, um zu filmen und zu fotographieren. Das Netz funktioniert hier nur noch sporadisch, daher kann ich unseren Vermieter nicht erreichen. Schließlich glückt es aber doch und wir treffen uns nach langer Irrfahrt auf einem Hügel, etwa 20 Kilometer vom Ort Roervik entfernt. Er kommt uns mit einem Jeep entgegen.

Carlos sieht aus, als wäre er in diese Landschaft durch einen Autor von Abenteuerbüchern hineingeschrieben worden. Er ist kein hochgewachsener, kantiger und knurriger Norweger – nein, er wirkt mit seiner kaffebraunen Haut und seinen dunklen Augen tatsächlich wie ein Cherokee oder Apache aus Karl Mays Winnetou Erzählungen. Wo hat er nur den Federschmuck gelassen? Carlos erzählt später beim Kaffee, daß er in seiner Kindheit adoptiert wurde und nun den norwegischen Nachnamen Nyvik trägt. Ursprünglich stammt er aus Kolumbien.

Wir folgen ihm mit dem Auto noch ungefähr 5 Kilometer durch den Wald. Dort, am Ende der Sandpiste, am Fuße eines Abhangs, direkt am gewaltigen See Limingen, liegt unsere Bärenjägerhütte. Wir sind begeistert. Carlos meint, wir würden sicherlich gleich noch ins Gebirge zu Forellenfischen fahren wollen. Wir haben etwa 16 Stunden Autofahrt hinter uns und die letzten Nächte kaum geschlafen…

Natürlich sagen wir: JA!

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Geschrieben von admin am 23. Juli 2009 | Abgelegt unter Aktuelles | Keine Kommentare

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